Das ist aufgrund der unterschiedlichen Vorlieben schwer zu definieren. Ist für die eine Person die körperliche Reaktion auf Schmerz und Extremsituationen oder ein Rollenspiel mit dem Partner von besonderem Reiz, ist es für die andere die Lust an der Unterwerfung. Fesselungen aller Art sind genauso vertreten wie geregelter Machtaustausch in der Partnerschaft. Die Intensität dieser Phantasien und Praktiken ist unterschiedlich, genauso, ob sie nur das Schlafzimmer oder weitere Lebensbereiche betreffen. Es gibt ebenso Menschen, die nur an einer Seite und einzelnen Praktiken Freude haben wie Leute, die auf beiden Seiten (oben und unten) switchen. Keinen von ihnen macht seine Vorliebe zu einem besseren oder schlechteren Menschen und auch nicht zu einem "richtigen" oder "falschen" SMer. Der Übergang zu "normalem" Sex ist fließend und einige Praktiken sind vermehrt auch in anderen Schlafzimmern zu finden, viele derer, die Augenbinden und Fesseln bei ihrem Sex benutzen, würden jedoch die Bezeichnung als "Sadomasochisten" für sich zurückweisen.
Seit der Jahrtausendwende ist "SM" auch im deutschsprachigen Raum weitgehend durch eine andere Abkürzung ersetzt worden, die die Vielfalt der Herangehensweisen mehr betont: BDSM ("Bondage & Discipline"/"Dominance & Submission"/"Sadism & Masochism").
Warum heißt das eigentlich so?
Die Bezeichnung "Sadomasochismus" ist abgeleitet von den Namen des franösischen Philosophen Francois Alphonse Donatien Marquis de Sade (1740-1814) und des österreichischen Schriftstellers Leopold Ritter von Sacher-Masoch (1836-1895). Erstmals tauchte sie einzeln als Sadismus und Masochismus in der "Psychopathia Sexualis" von Krafft-Ebbing, einem medizinischen Lehrbuch des späten 19.Jahrhunderts, auf. Leider hat dies zu einer recht einseitigen Betrachtung des Lebens und des Werkes beider Personen geführt, doch ist vor allem das Werk des "göttlichen Marquis" später im philosophischen Diskurs und von Vertretern des Surrealismus aufgegriffen worden.
Die unfreiwilligen Namensgeber sind allerdings nicht die Erfinder solcher Neigungen. Hinweise darauf finden sich auch schon in weit früherer Zeit. Das ist doch krank, oder?
Nein, zumindest ist es bei Klingonen, Haien und Katzen ganz normal.
Im Ernst: Das DSM (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) führt uns seit Version IV seit einigen Jahren schon nicht mehr als per se behandlungsbedürftig auf, sondern nur noch, falls sich aus unseren Vorlieben im Einzelfall andere soziale und psychische Beeinträchtigungen ergeben würden - dieses Kriterium würde aber wohl auch für jede andere menschliche Beschäftigung gelten. Mittlerweile ist auch das Klassifikationssystem ICD-11 der Weltgesundheitsorganisation dieser Einschätzung nahegekommen. Auch bei den meisten Psychologen hat der neutralere Begriff "Paraphilie" die "Perversion" abgelöst, und unsere Vorlieben werden meist etwas lockerer betrachtet. Dass es Menschen gibt, die anderer Meinung sind und unser Tun trotzdem für krank oder moralisch verwerflich halten, ist eine andere Sache.
Schon in den 90ern haben die Medien SM als Thema entdeckt - nicht immer zu unserem Nutzen. Zwar tauchen "zärtliche Fessel- und sanfte Rollenspiele" u.ä. mit gewisser Selbstverständlichkeit immer mehr als Bestandteil "normalen" Sexlebens auf und ist Kleidung aus Lack und Leder en vogue, aber die Abgrenzung zu "den wirklich Perversen" ist dennoch allzu oft geblieben.
Last not least: Wohl jeder SMer stellt sich im Laufe seines Lebens die Frage "Warum ich?". Eine allgemeingültige Antwort ist darauf nicht gefunden worden. Weder sind wir alle so geboren, noch sind frühkindliche Prägungen oder andere Einflüsse des Umfeldes für jeden gegeben. Es gilt also weiterhin: Menschen sind eben verschieden.
... oder gewaltverherrlichend?
Leider hat unsere Gesellschaft ein Problem mit dem Wort "Gewalt". Zu oft wird es auf "körperliche, nicht einvernehmliche Gewalt" reduziert, und zu oft wird nicht zwischen realer Gewalt und deren spielerischer Inszenierung unterschieden. Die Diskussion über die Ursachen dieser Sehschwäche würde an dieser Stelle zu weit führen, deshalb sei es nur angemerkt.
Üblicherweise gestalten SMer ihre Beziehungen und ihre Sessions nach denselben Grundsätzen wie auch andere Menschen, nämlich mit Achtung und Respekt vor dem Partner. Für die Praxis haben sich dabei die englischsprachigen Abkürzungen SSC (safe/sane/consensual) bzw. RACK (Risk aware consensual kink) bewährt - die Handlungen sollten mit dem Bewusstsein für Sicherheit und für Risiken, mit gesunden Verstand und einvernehmlich geschehen. Dass diese Einvernehmlichkeit von außen nicht immer schon auf den ersten Blick erkennbar ist, bedeutet nicht, dass sie nicht existiert. BDSM ist per se somit auch weder frauen- noch männerverachtend, sondern eine Spielart, an der beide Partner freiwillig ihren Genuss haben.
Also sowas wie in diesem Film da?
Buchtrilogie und Verfilmung von "50 Shades of Grey" haben das Thema wieder einmal in die breitere Öffentlichkeit gebracht. Allerdings sollte man dazu sagen, dass es eben nur eine moderne Aschenputtel-Geschichte mit einem dunklen Prinzen ist. Dominante Männer verfügen nur selten über Privathubschrauber, und Ursachen wie dort geschildert sind auch nicht die Regel.
Außerdem gibt es nicht "den Norm-BDSM", weder dort noch in älteren Romanen wie beispielsweise der "Geschichte der O", sondern recht unterschiedliche Vorlieben, Neigungen und Interessen, die sehr individuell ausgestaltet werden.
Ich muss auch nicht immer schwarzen Lack anziehen?
Seit einigen Jahren haben Teile der SM- und der Gothic-Subkultur sich einander angenähert. Sicherlich sind beide für viele Menschen zusammengehörige Formen einer dunklen Romantik. Doch wie es viele Goths gibt, die nur aus ästhetischen oder gruppendynamischen Gründen Halsbänder und Ketten tragen, sind schwarze Kleidung und der akustische Konsum von billigem Dark Techno für SMer glücklicherweise kein "Muss".
Ganz im Gegenteil - viele bedauern, dass die Einengung auf schwarze Kleidung aus "LLL" (Lack/Leder/Latex) auch zu Phantasielosigkeit führt. Nicht jeder SMer ist überhaupt "Fetischist" (was auch immer das im einzelnen Fall heißt), und unter denen, die es sind, gibt es genauso Leute, die auf Anoraks oder Wollsocken stehen. Dementsprechend gibt es mittlerweile auch genügend Angebote für andere Vorlieben - von Schlossparties über Tangogruppen bis zur Cabaret-Atmosphäre.
Sind SMer klüger, schöner oder sonstwie besser?
Jeder Besucher einschlägiger Parties wird es schnell bemerkt haben: Dort sind nicht nur 20jährige Fetish-Models mit Idealmaßen zu Gange, sondern ganz normale Leute. Sadomasochisten sind auch nicht intelligenter als die Durchschnittsbevölkerung. Sie haben lediglich den Vorteil, dass sie sich gezwungermaßen mehr mit ihrer Sexualität auseinandersetzen mussten. Darüberhinaus ist/sind die "Szene(n)" ein Spiegelbild der Gesellschaft. Es gibt ausgeflippte und seriöse Leute, Christen, Atheisten, Heiden und anders religiös orientierte Menschen, Asketen und Genießer, eher links und mehr konservativ ausgerichtete Personen, Extrovertierte und Schweiger, ...
Und nein - überdurchschnittlich tolerant sind wir leider auch nicht.
Darüber möchte ich mehr wissen.
Dann können wir auf die einschlägigen Angebote im Netz verweisen, allen voran Datenschlag.
Gleichermaßen kostenlos sind die weiteren Empfehlungen nicht: Unter der deutschsprachigen Sachliteratur ist die mit dem SM-Handbuch von Matthias T.J. Grimme beginnende Reihe von Ratgebern aus dem Charon-Verlag zu nennen. Ein recht informatives und dabei locker geschriebenes "Handbuch für Sadomasochisten und solche, die es werden wollen" ist Die Wahl der Qual von Kathrin Passig und Ira Strübel. Nicht nur für Fans wissenschaftlicher Studien lesenswert ist Sadomasochismus. Szenen und Rituale von Thomas A. Wetzstein (manchen auch als "die Trierer Studie" bekannt). Außerdem sind vor einiger Zeit Norbert Elbs SM-Sexualität - Selbstorganisation einer sexuellen Subkultur sowie der Tagungsband Lust-voller Schmerz erschienen. Daneben gibt es noch andere, meist nicht veröffentlichte studentische Abschlussarbeiten zu einzelnen Aspekten des BDSM.
Das Angebot an einschlägiger Belletristik hat sich in in jüngerer Zeit infolge des Engagements neuer Autoren sowohl qualitativ als auch quantitativ deutlich erhöht. Die besseren dieser Werke sind ebenso wie die vorher genannten Bücher problemlos auch im normalen Buchhandel erhältlich.